Im Krankenhauspark von Bad-Kolmbach ist eine Krankenschwester brutal erschlagen worden. Hauptkommissar Beimer stürzt sich in die Ermittlungen und kann Staatsanwalt von Schmitten schon bald einen Täter präsentieren, mit dem er von der Lokalzeitung als Mann der Stunde gefeiert wird. Die Einzige, die Zweifel an seinen Ermittlungsmethoden und Ergebnissen hegt, ist seine kürzlich aus Norddeutschland zugezogene Kollegin Jutta Habermann. Sie gehört nicht zum Klüngel der Kleinstadt, wo jeder jeden aus der Schulzeit kennt, und stößt mit ihren Gedanken bei Freunden wie auch bei Kollegen auf großen Widerstand. Als noch weitere Tote gefunden werden und man einen Serienmörder in Betracht ziehen muss, wird ihre Position immer gefährdeter. Doch im Lauf der Ermittlungen macht Jutta Habermann eine Bekanntschaft, die ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen wird.
Leseprobe
Prolog
Claudia Wolf verließ das Klinikgebäude am siebzehnten
Juli gegen dreiundzwanzig Uhr. Sie war erleichtert, dass dieser schreckliche Tag
endlich vorüber war. Die teilweise schweren Unfälle in der Notaufnahme und den
damit verbundenen Stress war sie einfach nicht gewohnt. Auf der
Entbindungsstation, in der sie als Schwesternschülerin ihren letzten Dienst
absolviert hatte, war es weitaus schöner gewesen. Obwohl die neugeborenen Kinder
und auch die zwei Frühchen der Station ihre ständige Aufmerksamkeit benötigten –
und teilweise auch lautstark forderten –, hatte sie sich dort nach einem langen
Arbeitstag nicht so zerschlagen gefühlt.
Langsam lief Claudia Wolf durch den dunklen Park, der sich
hinter dem Klinikgebäude und über den Hügel entlangzog, und genoss dabei die
vollkommene Stille um sie herum. Würde jeder Tag in ihrem zukünftigen Leben sich
so gestalten, würde sie sich einen anderen Beruf suchen müssen. Doch nicht nur
die Arbeit, sondern auch die unfreundlichen Menschen machten ihr zu schaffen. So
wie eine Woche zuvor: Ein angetrunkener Obdachloser, der sie ständig begrapscht
hatte, ein Bauarbeiter, der sie ein geiles Schwesterchen nannte, und vor allem
dieser Autoschlosser, der sie in Anwesenheit ihres Chefs so angeschrien hatte,
dass sie heulend aus dem Behandlungsraum gelaufen war, waren Gründe dafür.
Nach wenigen Schritten hörte sie plötzlich ein leises
Rascheln, das aus einer dichten Gruppe von Holunderbüschen kam.
„Hallo“, rief Claudia Wolf zaghaft in die Richtung, aus der
das Rascheln gekommen war, und blieb stehen. „Hallo, ist da jemand?“, rief sie
etwas lauter. Doch in ihrer Stimme schwang bereits ein ängstlicher Unterton mit.
Claudia Wolf wollte bereits weitergehen, als erneut das
leise Rascheln von Blättern zu hören war. Im schwachen Licht der Laternen, die
in weitem Abstand voneinander im Park aufgestellt waren und ihr schwaches Licht
wie einen Schleier über den Fußweg legten, sah sie plötzlich einen Mann zwischen
den Büschen hervortreten.
Claudia Wolfs Herz schlug urplötzlich um das Doppelte
schneller, und um ihren Hals legte sich eine unsichtbare Fessel. „O Gott ...“,
stieß sie leise hervor und in ihren Gedanken spielte sich ein Szenario ab, das
sie keineswegs erleben wollte. Sie trat einen Schritt zurück und wäre fast über
die Grasabgrenzungen gestolpert, die den gesamten Weg säumten. Dann erkannte sie
den Mann, der im Halbschatten einer Laterne stand. „Sie?“, sagte Claudia Wolf
ungläubig und schaute sich instinktiv nach allen Seiten um. Doch sie war alleine
auf dem schmalen Weg. Auch am Parkende oben auf dem Hügel war keine
Menschenseele zu sehen.
Nach kurzem Zögern verließ Claudia Wolf mit bedächtigen
Schritten den Weg und betrat die Rasenfläche. „Was wollen Sie?“, fragte sie,
bekam aber nur ein leises: „Kommen Sie mit“ zu hören.
Claudia Wolf folgte der Aufforderung und schlüpfte zwischen
den herunterhängenden Ästen eines Holunderbusches hindurch. „Sagen Sie doch, was
wollen Sie von mir?“
Einen Sekundenbruchteil später zerschmetterte eine
verchromte Eisenstange Claudia Wolfs Schädeldecke. Ein kurzer Aufschrei wurde
durch einen brutalen Schlag gegen ihren Kehlkopf erstickt. Wieder und wieder
schoss die verchromte Stange hinab, bis nur noch eine breiige, klebrige Masse
von Claudia Wolfs Kopf zu erkennen war.